Messen im Prozess: Wie Sie mit CNC-Messtastern Ausschuss halbieren und Rüstzeiten drastisch senken

Stellen Sie sich vor: Sie könnten Ihre Rüstzeiten um bis zu 60% reduzieren, Ausschuss halbieren und gleichzeitig die Durchlaufzeiten verkürzen – alles mit einer einzigen technologischen Ergänzung. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Für immer mehr KMU in der Teile- und Lohnfertigung ist genau das Realität geworden. Der Schlüssel dazu heißt prozessintegrierte Messtechnik, also das Messen direkt in der CNC-Maschine.

In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie Messtaster und andere Sensoren zur Qualitätskontrolle direkt im CNC-Bearbeitungszentrum eingesetzt werden können. Sie erfahren, welche konkreten Vorteile das für Ihr Unternehmen bringt, wie die Technologie funktioniert und worauf Sie bei der Implementierung achten sollten. Denn eines ist sicher: Die Zeiten, in denen Qualitätssicherung ein nachgelagerter, zeitraubender Prozess war, sind definitiv vorbei.

Inhalt

Was bedeutet Messen im Prozess und warum ist es für KMU wichtig?

Die Herausforderung: Zeit ist Geld – besonders in der Lohnfertigung

Kennen Sie das? Ein eiliger Auftrag für 20 komplexe Frästeile kommt rein. Jedes Teil muss nach der Bearbeitung zur Messmaschine, dort vermessen, zurück zur CNC-Maschine transportiert und bei Abweichungen nachbearbeitet werden. Der Zeitaufwand: enorm. Das Risiko: Bei der späten Messung entdeckte Fehler bedeuten oft Totalausfall – das teure Material ist ruiniert.

Genau hier setzt die prozessintegrierte Messtechnik an. Statt das Werkstück auszuspannen und extern zu messen, erfolgt die Qualitätskontrolle direkt im Arbeitsraum der CNC-Maschine. Mit taktilen Messtastern oder berührungslosen Lasersystemen werden kritische Maße noch während oder unmittelbar nach der Bearbeitung geprüft. Das Ergebnis: sofortiges Feedback und die Möglichkeit zur direkten Korrektur.

Die Lösung: Qualitätssicherung als integraler Bestandteil der Bearbeitung

Beim Messen im Prozess wird die Qualitätssicherung von einem nachgelagerten zu einem integrierten Prozessschritt. Die CNC-Steuerung übernimmt dabei nicht nur die Bearbeitung, sondern auch die Messung und Auswertung. Moderne Systeme können sogar automatisch Korrekturen vornehmen – etwa wenn Werkzeugverschleiß zu Maßabweichungen führt.

Für KMU bedeutet das einen echten Paradigmenwechsel. Während früher spezialisierte Messtechniker und separate Messräume nötig waren, kann heute der Maschinenbediener die Qualitätskontrolle mit übernehmen. Die Hürde für hochwertige Qualitätssicherung sinkt dramatisch.

Die technischen Grundlagen: So funktioniert prozessintegrierte Messtechnik

Taktile Messtaster – die Arbeitspferde der In-Prozess-Messung

Das Herzstück der meisten Messsysteme ist der taktile Messtaster. Er funktioniert im Prinzip wie ein hochpräziser Schalter: Bei Berührung des Werkstücks wird ein Signal ausgelöst, die CNC-Steuerung registriert die exakte Position und kann daraus Maße berechnen. Moderne Messtaster erreichen dabei Wiederholgenauigkeiten im Bereich von unter einem Mikrometer.

Die Funktionsweise basiert meist auf optoelektronischen Prinzipien. Im Inneren des Tasters unterbricht eine winzige Lichtschranke bei Auslenkung des Taststifts. Dieses Signal wird per Funk, Infrarot oder Kabel an die Steuerung übertragen. POS stattet seine Bearbeitungszentren standardmäßig mit Heidenhain TNC 7 bzw. TNC 640 oder Siemens ONE aus, die bereits umfangreiche Messzyklen integriert haben.

Kritische Erfolgsfaktoren für präzise Messungen

Die Genauigkeit einer Messung auf der Maschine hängt von mehreren Faktoren ab:

Maschinenstabilität: Eine steife, vibrationsarme Maschine ist die Grundvoraussetzung. Thermische Einflüsse können zu Verzug führen und Messergebnisse verfälschen. Maschinen mit hoher Masse und Meehanite-Stahlguss bieten hier klare Vorteile.

Positioniergenauigkeit: Hochauflösende Glasmaßstäbe erfassen die tatsächliche Position der Achsen präzise. Im Gegensatz zu indirekten Messsystemen kompensieren sie automatisch Fehler durch Spindelsteigung oder thermische Ausdehnung.

Kalibrierung: Regelmäßige Kalibrierung von Messtaster und Maschine ist essentiell. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel, warum die 5-Achs-Kalibrierung über Erfolg oder Ausschuss entscheidet.

Sauberkeit: Späne oder Kühlmittelreste können Messungen verfälschen. Moderne Systeme nutzen daher oft Blasluft zur automatischen Reinigung vor der Messung.

Konkrete Anwendungen in der Praxis: Von der Nullpunktfindung bis zur adaptiven Bearbeitung

Automatische Werkstückeinrichtung – der Produktivitäts-Booster

Eine der häufigsten Anwendungen ist die automatische Nullpunktfindung. Der Messtaster fährt definierte Punkte am Rohteil an, die Steuerung berechnet Lage und Ausrichtung des Werkstücks. Was früher 30 Minuten manuelles Ausrichten bedeutete, erledigt das System in wenigen Minuten vollautomatisch.

Ein Lohnfertiger berichtet: “Bei unseren typischen Kleinserien mit 10-50 Teilen sparen wir pro Rüstvorgang mindestens 20-30 Minuten. Bei fünf Rüstvorgängen täglich sind das über zwei Stunden zusätzliche Produktionszeit.”

Werkzeugverschleißkompensation in Echtzeit

Besonders in der Serienfertigung zeigt sich ein weiterer Vorteil: Die automatische Kompensation von Werkzeugverschleiß. Nach jedem zehnten Teil wird ein kritisches Maß gemessen. Weicht es ab, passt die Steuerung die Werkzeugkorrektur automatisch an. Das Ergebnis: konstante Qualität über die gesamte Serie.

Adaptive Bearbeitung bei Einzelteilen und Prototypen

Im Sondermaschinenbau, wo oft teure Einzelteile aus Speziallegierungen gefertigt werden, ist die adaptive Bearbeitung Gold wert. Nach dem Schruppen werden kritische Flächen vermessen. Basierend auf den Messdaten optimiert die Steuerung die Schlichtbearbeitung. Maßabweichungen durch Verzug oder ungleichmäßiges Aufmaß werden automatisch ausgeglichen.

Der wirtschaftliche Nutzen: ROI-Betrachtung für KMU

Harte Fakten: So rechnet sich die Investition

Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an: Ein typisches Messtastersystem kostet zwischen 6.000 und 12.000 Euro. Klingt viel? Die Amortisation erfolgt oft überraschend schnell:

Szenario Lohnfertiger:

  • 5 Rüstvorgänge täglich, je 30 Minuten Zeitersparnis
  • Maschinenstundensatz: 85 €/h
  • Tägliche Einsparung: 212,50 € (Maschinenzeit) + 74 € (Personalkosten)
  • Amortisation: bereits nach 2-3 Monaten!

Szenario Ausschussreduzierung:

  • Jährliche Ausschusskosten: 20.000 €
  • Reduktion durch In-Prozess-Messung: 40%
  • Jährliche Einsparung: 8.000 €
  • Amortisation: nach 15 Monaten

Versteckte Einsparpotenziale

Neben den offensichtlichen Einsparungen gibt es weitere Vorteile:

  • Reduzierte Werkzeugkosten: Durch optimale Ausnutzung der Standzeiten 10-20% weniger Werkzeugverbrauch
  • Höhere Maschinenauslastung: Weniger Stillstand bedeutet mehr produktive Stunden
  • Mannlose Fertigung: Mit zuverlässiger In-Prozess-Kontrolle werden Nacht- und Wochenendschichten möglich
  • Neue Aufträge: Die Fähigkeit, engere Toleranzen zuverlässig zu fertigen, öffnet neue Marktsegmente

Erfolgreiche Implementierung: Worauf KMU achten sollten

Die richtige Maschinenbasis macht den Unterschied

Nicht jede CNC-Maschine eignet sich gleich gut für präzise In-Prozess-Messungen. Entscheidend sind:

  • Vorhandene Schnittstellen: Idealerweise ist die Maschine bereits für Messtaster vorbereitet. Vollausstattung als Standard bei POS-Maschinen bedeutet, dass Schnittstellen und oft sogar die Verkabelung bereits vorhanden sind.
  • Hohe Grundgenauigkeit: Steife Maschinenkonstruktion und direkte Wegmesssysteme sind Pflicht
  • Moderne Steuerung: Integrierte Messzyklen erleichtern die Programmierung erheblich

Schrittweise Einführung statt Komplettumstellung

Beginnen Sie mit einfachen Anwendungen wie der automatischen Nullpunktfindung. Sammeln Sie Erfahrungen, schulen Sie Ihre Mitarbeiter und erweitern Sie dann schrittweise. Der POS-Service zur Prozessoptimierung mit Achsoptimierungen und Präzisionsvermessungen kann dabei wertvolle Unterstützung leisten.

Mitarbeiter mitnehmen und schulen

Die beste Technik nützt nichts, wenn die Mitarbeiter sie nicht akzeptieren. Zeigen Sie die Vorteile auf: weniger monotone Messaufgaben, mehr Zeit für anspruchsvolle Tätigkeiten, höhere Prozesssicherheit. Eine fundierte Schulung ist dabei unerlässlich.

Zukunftssicher investieren

Die Entwicklung geht rasant weiter. Aktuelle Forschungen des Fraunhofer IPT zeigen, dass KI-gestützte Messtechnik die Fehlerrate um bis zu 50% reduzieren kann. Achten Sie daher auf offene Schnittstellen und Erweiterungsmöglichkeiten.

Zukunftsperspektiven: Wohin entwickelt sich die In-Prozess-Messtechnik?

KI macht Messtechnik intelligent – und das schneller als gedacht

Die Entwicklung der prozessintegrierten Messtechnik steht nicht still. Was heute noch nach Science-Fiction klingt, wird in wenigen Jahren Standard in modernen Fertigungsbetrieben sein. Für KMU ist es entscheidend, diese Trends zu verstehen – nicht um jeden Hype mitzumachen, sondern um zukunftssichere Investitionsentscheidungen zu treffen.

Schon in den nächsten 1-2 Jahren werden wir KI-gestützte Assistenzsysteme sehen, die bei der Auswahl optimaler Messstrategien helfen. Stellen Sie sich vor: Die Software analysiert Ihr CAD-Modell und schlägt automatisch die kritischen Messpunkte vor. Oder sie erkennt Muster in den Messdaten und warnt proaktiv vor drohendem Werkzeugverschleiß. Erste Systeme dieser Art sind bereits in der Erprobung und zeigen Potenziale zur Ausschussreduktion von bis zu 50%.

Der digitale Zwilling: Virtuelle und reale Welt verschmelzen

Ein besonders spannender Trend ist die Integration von In-Prozess-Messungen in digitale Zwillinge. Dabei wird das virtuelle Abbild Ihres Werkstücks kontinuierlich mit realen Messdaten aktualisiert. Der Vorteil? Sie können Abweichungen nicht nur erkennen, sondern auch deren Ursachen simulieren und optimale Gegenmaßnahmen ableiten.

Mittelfristig (3-5 Jahre) werden solche Systeme selbstoptimierend arbeiten. Die Maschine “lernt” aus jedem gefertigten Teil und passt ihre Parameter automatisch an. Besonders für 5-Achs-Bearbeitungszentren mit ihren komplexen Kinematiken und hohen Genauigkeitsanforderungen eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten zur Prozessoptimierung.

Adaptive Steuerungen: Die Maschine denkt mit

Adaptive Steuerungen gehen noch einen Schritt weiter. Sie passen Bearbeitungsparameter in Echtzeit an die aktuellen Bedingungen an. Ein Beispiel: Der Messtaster erkennt ungleichmäßiges Rohteilaufmaß. Die adaptive Steuerung berechnet daraufhin optimierte Schnittparameter für jeden Bereich des Werkstücks. Resultat: bis zu 15% kürzere Bearbeitungszeiten bei gleichzeitig reduziertem Werkzeugverschleiß.

Was bedeutet das konkret für Ihr KMU?

Die gute Nachricht: Sie müssen nicht auf all diese Technologien warten. Viele Grundlagen können Sie heute schon legen:

Datenkompetenz aufbauen: Beginnen Sie jetzt mit der systematischen Erfassung von Messdaten. Diese bilden die Basis für spätere KI-Anwendungen. Moderne Steuerungen bieten bereits umfangreiche Möglichkeiten zur Datenprotokollierung.

Offene Schnittstellen nutzen: Achten Sie bei Neuinvestitionen auf Systeme mit standardisierten Schnittstellen wie OPC UA. Diese ermöglichen später die einfache Integration neuer Technologien ohne komplette Systemwechsel.

Schrittweise vorgehen: Sie müssen nicht alles auf einmal implementieren. Starten Sie mit bewährter Messtechnik und erweitern Sie sukzessive. Eine solide Maschinenbasis mit hoher Grundgenauigkeit ist dabei wichtiger als die neueste Software.

Der Blick nach vorne: Autonome Qualitätssicherung

Langfristig (über 5 Jahre) steuern wir auf weitgehend autonome Qualitätssicherungssysteme zu. CNC-Maschinen werden Qualitätsprobleme selbstständig erkennen, analysieren und beheben. Menschliche Eingriffe sind nur noch in Ausnahmefällen nötig. Klingt unrealistisch? Bedenken Sie: Vor 20 Jahren klang auch die Idee, dass eine CNC-Maschine selbstständig Werkstücke vermisst und Korrekturen vornimmt, wie Zukunftsmusik.

Für KMU bedeutet diese Entwicklung vor allem eines: Die Einstiegshürden für hochwertige Qualitätssicherung sinken weiter. Was heute noch Spezialwissen erfordert, wird morgen von intelligenten Systemen unterstützt. Umso wichtiger ist es, schon heute die richtigen Weichen zu stellen – mit zukunftsfähigen Maschinen, skalierbaren Lösungen und der Bereitschaft, neue Wege zu gehen.

Häufig gestellte Fragen zum Messen im Prozess

Die Kernvorteile sind signifikante Zeitersparnis durch den Wegfall von Rüst- und Transportzeiten, deutlich schnellere Fehlererkennung und -korrektur, was zu geringeren Ausschussraten führt, und die Möglichkeit zur weitreichenden Automatisierung. Bei kleinen bis mittleren Losgrößen resultiert das in höherer Produktivität und niedrigeren Gesamtkosten.
Eine pauschale Mindestlosgröße gibt es nicht. Selbst bei Einzelteilen kann sich die Investition durch drastisch reduzierte Rüstzeiten oder die Vermeidung von teurem Ausschuss bei komplexen Teilen rechnen. Eine individuelle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist entscheidend – oft zeigt sich, dass die Amortisation schneller erfolgt als gedacht.
Moderne Messtaster erreichen Wiederholgenauigkeiten im Sub-Mikrometer-Bereich. Die tatsächlich erreichbare Gesamtgenauigkeit hängt jedoch vom Maschinenzustand, der Kalibrierung und den Umgebungsbedingungen ab. Bei gut gewarteten Maschinen sind Genauigkeiten von ±0,005 mm realistisch.
In vielen Fällen ja. Der Erfolg hängt von der vorhandenen Steuerung und den mechanischen Gegebenheiten ab. Spezialisierte Anbieter bieten Nachrüstlösungen an. Allerdings: Bei sehr alten Maschinen kann es wirtschaftlicher sein, in eine neue, bereits vorbereitete Maschine zu investieren.
Die Software ist entscheidend. CAM-Systeme ermöglichen die Offline-Programmierung von Messpfaden, die CNC-Steuerung führt die eigentlichen Messzyklen aus. Für detaillierte Anleitungen empfehlen wir praktische Leitfäden zur Auswahl der richtigen Messtaster für verschiedene Anwendungsfälle.

Der nächste Schritt zu mehr Effizienz und Qualität

Die prozessintegrierte Messtechnik ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern bewährte Praxis in modernen Fertigungsbetrieben. Für KMU bietet sie die Chance, mit überschaubaren Investitionen große Effizienz- und Qualitätssprünge zu machen.

Die Technologie ist ausgereift, die Bedienung wird immer einfacher, und die wirtschaftlichen Vorteile sind nachweisbar. Wer heute in moderne Messtechnik investiert, sichert sich nicht nur kurzfristige Produktivitätsgewinne, sondern auch die Flexibilität für zukünftige Anforderungen. Denn eines ist sicher: Die Qualitätsanforderungen werden weiter steigen, und der Kostendruck bleibt bestehen.

Nutzen Sie die Chance, Ihre Fertigung auf das nächste Level zu heben. Mit der richtigen Maschinenbasis, durchdachter Implementierung und kompetenter Unterstützung wird die Qualitätssicherung direkt an der CNC-Maschine zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Weitere Informationen zu normativen Anforderungen finden Sie im VDI-Statusreport zur Fertigungsmesstechnik in der digitalen Produktion.

Viel Erfolg und heiße Späne!

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