Schluss mit Spänewicklern: Die wichtigsten Stellschrauben für effizientes Spanmanagement

Seien wir mal ehrlich: Unkontrollierte Späne sind der stille Produktivitätskiller in jeder CNC-Fertigung. Während Sie diesen Artikel lesen, steht irgendwo eine Maschine still, weil sich wieder mal ein Spänenest um das Werkzeug gewickelt hat. Der Bediener muss eingreifen, die Produktion stockt, und die teure Maschine verdient kein Geld. Dabei ist die Lösung oft einfacher als gedacht – wenn man weiß, wo man ansetzen muss.

In diesem Artikel zeige ich Ihnen, wie Sie die unsichtbare Bremse der Spanproblematik lösen. Sie erfahren, welche technischen Hebel wirklich funktionieren, wie Sie typische Materialherausforderungen meistern und warum die Wahl der richtigen Maschine den entscheidenden Unterschied macht. Das Beste daran: Die vorgestellten Lösungen rechnen sich oft schon nach wenigen Tagen.

Inhalt

Die Physik verstehen: Was beim Spanbruch wirklich passiert

Bevor wir uns den praktischen Lösungen widmen, schauen wir uns kurz an, was da eigentlich in Ihrer Maschine passiert. Der Span entsteht durch intensive plastische Verformung des Materials vor der Werkzeugschneide. Je nach Material und Bearbeitungsparametern entstehen dabei unterschiedliche Spanarten – und genau hier liegt der Schlüssel zur Lösung.

Die wichtigsten Spanarten im Überblick:

Bei der Bearbeitung von duktilen Werkstoffen wie Aluminium oder niedriglegierten Stählen entstehen oft Fließspäne – diese kontinuierlichen, bandförmigen Späne sind der Albtraum jedes Maschinenbedieners. Sie wickeln sich unkontrolliert um Werkzeug und Werkstück, beschädigen Oberflächen und zwingen zu ständigen Unterbrechungen.

Deutlich günstiger sind Scherspäne, die bei mittleren Schnittgeschwindigkeiten in vielen Stahlsorten entstehen. Diese lamellenartigen Späne brechen leichter und lassen sich besser abführen.

Am unproblematischsten sind Reißspäne oder Bröckelspäne, wie sie bei Grauguss oder kurzspanenden Messinglegierungen auftreten. Sie brechen von selbst in kleine Stücke – perfekt für die Prozesssicherheit.

Die entscheidenden Parameter für kontrollierten Spanbruch

Der Vorschub ist Ihr wichtigster Hebel zur Spankontrolle. Ein höherer Vorschub erzeugt einen dickeren, steiferen Span, der leichter bricht. Die Formel h = f × sin(κr) zeigt den direkten Zusammenhang zwischen Vorschub, Einstellwinkel und der resultierenden Spanungsdicke.

Die Schnittgeschwindigkeit beeinflusst primär die Temperatur in der Schnittzone. Bei zähen Werkstoffen kann eine höhere Geschwindigkeit das Material erweichen und den Spanbruch begünstigen. Bei Aluminium sind hohe Schnittgeschwindigkeiten über 300 m/min sogar zwingend notwendig, um Aufbauschneiden zu vermeiden.

Die Schnitttiefe bestimmt die Breite des Spans. Ein breiterer Span lässt sich leichter krümmen und brechen. Das Verhältnis von Schnitttiefe zu Vorschub (ap/f) ist dabei ein wichtiger Indikator für die zu erwartende Spanform.

Moderne Wendeschneidplatten verfügen über spezialisierte Spanleitstufen, die den ablaufenden Span mechanisch zu einer engen Krümmung zwingen. Dadurch stößt er gegen sich selbst oder das Werkstück und bricht kontrolliert. Die Wirksamkeit hängt stark vom gewählten Arbeitspunkt im Vorschub-Schnitttiefen-Diagramm ab.

Typische Herausforderungen in der KMU-Fertigung

Herausforderung 1: Materialchargen-Schwankungen bei Stahl

In der Lohnfertigung ist C45 einer der meistbearbeiteten Werkstoffe. Das Problem: Obwohl normiert, führen Chargenschwankungen zu erheblichen Unterschieden im Zerspanungsverhalten. Ein Prozess, der bei einer Charge perfekte kurze Späne liefert, produziert bei der nächsten Lieferung plötzlich unkontrollierbare Bandspäne.

Die Folgen sind gravierend: Ungeplante Stillstände, schwankende Werkzeugstandzeiten und unkalkulierbare Stückkosten. Für KMU mit knappen Margen ist diese Unvorhersehbarkeit ein erhebliches Geschäftsrisiko.

Herausforderung 2: Das Nadelöhr Tieflochbohrung

Im Sondermaschinenbau müssen häufig tiefe Bohrungen für Hydraulikleitungen oder Kühlkanäle eingebracht werden. Die Spanabfuhr aus der engen, tiefen Bohrung ist dabei die kritische Stelle. Ein einziger langer Span, der sich in der Spannut verklemmt, führt unweigerlich zum Spänestau.

Die Konsequenzen sind fatal: Das Drehmoment steigt schlagartig an, der teure Tieflochbohrer bricht, das Werkstück ist Ausschuss. Im schlimmsten Fall wird sogar die Spindel beschädigt. Ohne spezielles Equipment wie Hochdruck-Innenkühlung für prozesssicheres Tieflochbohren auf dem BAZ ist diese Bearbeitung ein hohes Risiko.

Herausforderung 3: Klebrige Späne bei Aluminium

Die Bearbeitung von Aluminiumlegierungen wie AlMgSi1 stellt eine besondere Herausforderung dar. Das Material neigt extrem zur Bildung von Aufbauschneiden – Material verschweißt förmlich mit der Werkzeugschneide. Die entstehenden langen Bandspäne wickeln sich um Werkzeug und Werkstück, blockieren den Kühlmittelfluss und erzwingen Prozessstopps.

Praktische Lösungsansätze für optimale Spankontrolle

Sofortmaßnahme: Die richtigen Werkzeuge wählen

Der schnellste Weg zu besseren Spänen führt über die Werkzeugauswahl. Die richtige Bearbeitungsstrategie beim Fräsen unterschiedlicher Werkstoffe macht einen enormen Unterschied. Diese praxisorientierte Übersicht von Sandvik Coromant zeigt KMU konkret, wie sie Aufbauschneiden vermeiden und die Spanbildung bei Stahl, Aluminium und Gusseisen optimieren – mit direkt umsetzbaren Schnittdatenempfehlungen. Für Stahl gibt es spezielle FP-Geometrien, für Aluminium AL-Geometrien mit hochpositiven Spanwinkeln und polierten Oberflächen.

Praktischer Tipp für die Werkstatt: Dokumentieren Sie bei jedem Werkzeugwechsel die Spanform mit einem Foto. So bauen Sie schnell eine eigene Datenbank auf, welche Geometrie bei welchem Material die besten Ergebnisse liefert.

Der Vorschub als Hauptstellschraube

Zu geringer Vorschub ist die häufigste Ursache für lange Späne. Viele Bediener arbeiten aus Vorsicht mit zu konservativen Werten. Dabei gilt: Ein höherer Vorschub erzeugt dickere, steifere Späne, die zuverlässiger brechen.

Faustregel für die Praxis: Erhöhen Sie den Vorschub schrittweise um 20-30%, bis Sie kurze C-förmige oder Spiralspäne erhalten. Die minimal rauere Oberfläche ist meist verschmerzbar – der Gewinn an Prozesssicherheit überwiegt deutlich.

Hochdruck-Innenkühlung als Gamechanger

Eine Hochdruck-KSS-Anlage mit 70 bar und mehr ist kein Luxus, sondern eine hochrentable Investition. Der gezielte Strahl spült nicht nur die Späne aus der Schnittzone, sondern wirkt wie ein hydraulischer Keil, der den heißen Span von der Werkzeugschneide trennt. Die Vorteile einer IKZ reichen von besserem Spanbruch bis zur deutlichen Erhöhung der Werkzeugstandzeit.

Bei Tieflochbohrungen ist IKZ sogar unverzichtbar. Ohne den gezielten Hochdruckstrahl ist eine prozesssichere Spanabfuhr aus der engen Bohrung deutlich schwieriger und risikoreicher. Die gute Nachricht: Moderne Maschinen sind bereits für die Nachrüstung vorbereitet.

Adaptive Regelung für schwankende Bedingungen

Die adaptive Vorschubregelung (AFC) zur automatischen Prozessoptimierung ist besonders wertvoll bei wechselnden Materialchargen. Diese technische Dokumentation von Heidenhain zeigt KMU anhand konkreter Anwendungsbeispiele, wie sich mit AFC Bearbeitungszeiten um bis zu 25% reduzieren lassen – ohne permanente Überwachung durch den Bediener. Das System überwacht permanent die Spindellast und passt den Vorschub automatisch an. Bei härteren Stellen wird reduziert, in weicheren Bereichen beschleunigt.

Der Vorteil: Die Maschine reagiert selbstständig auf Schwankungen, die Sie vorher nicht vorhersehen können. Das erhöht die Prozesssicherheit dramatisch und optimiert gleichzeitig die Bearbeitungszeit.

Wirtschaftlichkeit: So rechnet sich optimales Spanmanagement

Beispielrechnung Lohnfertigung

Nehmen wir an, Sie haben durchschnittlich viermal pro Stunde eine kurze Unterbrechung von einer Minute wegen Spänewicklern. Bei einem Maschinenstundensatz von 85 € verlieren Sie 5,67 € pro Stunde. Im 2-Schicht-Betrieb mit 3.400 Stunden summiert sich das auf 19.278 € pro Jahr.

Ein Satz hochwertiger Wendeschneidplatten mit optimierter Spanbrechergeometrie kostet vielleicht 100 € mehr als die Standardversion. Die Investition amortisiert sich in weniger als 18 Betriebsstunden – nicht mal drei Arbeitstage!

Beispielrechnung Tieflochbohren

Ohne Hochdruck-Innenkühlung kommt es bei 5% der Tieflochbohrungen zum Werkzeugbruch. Pro Bruch entstehen Kosten von etwa 220 € (Werkzeug, Stillstand, Personal). Bei 200 Bohrungen monatlich sind das 10 Brüche oder 26.377 € pro Jahr.

Eine 70-bar-IKZ-Anlage kostet inklusive Installation etwa 10.000 €. Die Amortisation erfolgt allein durch vermiedene Werkzeugbrüche in weniger als 5 Monaten. Die zusätzlichen Produktivitätssteigerungen sind da noch gar nicht eingerechnet.

Die Rolle der Maschine: Warum das Fundament entscheidend ist

Eine schwingungsarme Maschine ist die Grundvoraussetzung für kontrollierten Spanbruch. Jede Vibration führt zu Variationen der Spanungsdicke und macht einen gleichmäßigen Spanbruch unmöglich. Statt kurzer C-Späne entstehen unkontrollierbare Bandspäne.

Die 5-Achs-Bearbeitungszentren von POS mit massiver Gusskonstruktion dämpfen Schwingungen direkt an der Quelle. Bis zu 35% mehr Masse und 60% höhere Steifigkeit schaffen ein außergewöhnlich stabiles Fundament. Das ermöglicht aggressivere Schnittparameter ohne Vibrationen – der Schlüssel zu kurzen, kontrollierten Spänen.

Vollausstattung macht den Unterschied

Die POS-Philosophie der Vollausstattung als Standard zahlt sich beim Spanmanagement besonders aus. Maschinen sind bereits für IKZ-Nachrüstung vorbereitet, High-End-Steuerungen mit AFC-Option sind Serie. Das senkt nicht nur Nachrüstkosten um bis zu 45%, sondern macht Ihre Investition zukunftssicher.

POS stattet seine CNC Fräsmaschinen standardmäßig mit Heidenhain TNC 7 bzw. TNC 640 oder Siemens ONE aus. Diese modernen Steuerungen bieten als Option die adaptive Vorschubregelung. Diese Funktion allein kann Bearbeitungszeiten um bis zu 25% reduzieren und Werkzeugbrüche durch Überlastung praktisch eliminieren.

Der Blick nach vorn: Intelligente Spanabfuhr

Die Zukunft gehört der intelligenten Prozessführung. Schon heute erkennen moderne Systeme anhand von Sensordaten kritische Prozesszustände und reagieren automatisch. In wenigen Jahren werden KI-Systeme aus Vibrations- und Geräuschmustern den optimalen Zeitpunkt für einen Werkzeugwechsel vorhersagen – bevor es zu Problemen kommt.

Für Ihre Investitionsentscheidung bedeutet das: Achten Sie auf offene Steuerungsplattformen mit ausreichend Rechenleistung und Sensorik. Das mechanische Fundament bleibt aber entscheidend – auch die beste Software kann eine schwache Mechanik nicht kompensieren.

Häufig gestellte Fragen zum Spanmanagement

Die häufigste Ursache ist ein zu geringer Vorschub. Erhöhen Sie den Vorschub schrittweise, um einen dickeren, steiferen Span zu erzeugen. Prüfen Sie auch, ob Ihre Wendeschneidplatte eine für Stahl geeignete Spanbrechergeometrie hat. Oft hilft schon der Wechsel zu einer speziellen Schruppgeometrie.
Bei Aluminium ist die Vermeidung von Aufbauschneiden entscheidend. Nutzen Sie Werkzeuge mit sehr scharfen, polierten Schneiden und hochpositiver AL-Geometrie. Erhöhen Sie die Schnittgeschwindigkeit deutlich über 400 m/min und sorgen Sie für reichliche Kühlung, um das Verkleben zu verhindern.
Schon ab 10-20 bar sehen Sie eine deutliche Verbesserung der Spanabfuhr. Für aktiven Spanbruch durch die kinetische Energie des KSS-Strahls sind bei Stahl 70-80 bar ideal. Bei schwer zerspanbaren Werkstoffen wie Inconel können auch 150 bar erforderlich sein.
Ja, gerade bei wechselnden Teilen ist AFC besonders wertvoll. Das System passt den Vorschub automatisch an schwankende Bedingungen an – ideal bei unterschiedlichen Aufmaßen oder Materialchargen. Sie erhöhen die Prozesssicherheit und optimieren die Laufzeit, ohne jeden Prozess manuell optimieren zu müssen.
Bei tiefen Bohrungen ist der Weg für den Span sehr lang und eng. Anders als bei offenen Bearbeitungen kann er nicht einfach wegfallen. Er muss aktiv durch den Kühlschmierstoff aus der Bohrung gespült werden. Ohne das kommt es unweigerlich zum Spänestau mit Werkzeugbruch.

Ihr Weg zu prozesssicherer Spanabfuhr

Die Beherrschung der Spanbildung ist kein Hexenwerk, sondern das Ergebnis systematischer Optimierung. Fangen Sie mit den Sofortmaßnahmen an: Dokumentieren Sie Ihre aktuellen Spanprobleme, testen Sie optimierte Werkzeuggeometrien und trauen Sie sich an höhere Vorschübe.

Mittelfristig lohnt sich die Investition in moderne Technologie. Eine Hochdruck-KSS-Anlage oder adaptive Regelung amortisiert sich oft in wenigen Monaten. Und denken Sie bei der nächsten Maschineninvestition daran: Ein stabiles mechanisches Fundament ist die Basis für alle weiteren Optimierungen.

Die Kontrolle über Ihre Späne bedeutet Kontrolle über Ihre Produktivität. Jeder vermiedene Stillstand, jedes gesparte Werkzeug und jede mannlose Fertigung durch CNC-Automation ermöglichen macht Ihren Betrieb ein Stück wettbewerbsfähiger.

Viel Erfolg und heiße Späne!

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