Vorschub & Drehzahl: Die Grundlagen für Einsteiger verständlich erklärt

Sie kennen das sicher: Da steht die neue CNC-Maschine, das Werkzeug ist gespannt, das Programm ist geschrieben – aber bei den Schnittdaten herrscht Unsicherheit. Vorschub zu hoch? Drehzahl zu niedrig? Was passiert, wenn ich die Parameter falsch wähle? Diese Fragen beschäftigen jeden, der in der spanenden Bearbeitung arbeitet.

Vorschub und Drehzahl sind das Herzstück jeder erfolgreichen Zerspanung. Sie bestimmen nicht nur, wie schnell ein Teil fertig wird, sondern auch, wie gut die Oberfläche wird, wie lange das Werkzeug hält und letztendlich, wie wirtschaftlich Ihr Fertigungsprozess ist. Dieser Artikel erklärt Ihnen die Grundlagen verständlich und zeigt, wie Sie durch die richtige Parameterwahl Ihre Produktivität steigern können.

Inhalt

Die Grundlagen verstehen: Was sind Vorschub und Drehzahl?

Bevor wir in die Tiefe gehen, schauen wir uns die Grundlagen an. Diese Parameter bestimmen maßgeblich Ihren Zerspanungserfolg:

Die Drehzahl (n) gibt an, wie oft sich Ihr Werkzeug oder Werkstück pro Minute um die eigene Achse dreht. Sie wird in Umdrehungen pro Minute (U/min) gemessen. Beim Fräsen dreht sich das Werkzeug, beim Drehen das Werkstück.

Der Vorschub beschreibt, wie weit sich das Werkzeug pro Zeiteinheit oder pro Umdrehung bewegt:

  • Beim Fräsen sprechen wir vom Vorschub pro Zahn (fz) in mm/Zahn
  • Beim Drehen und Bohren vom Vorschub pro Umdrehung (f) in mm/U

Diese beiden Parameter sind eng miteinander verknüpft und ergeben zusammen die Schnittgeschwindigkeit (vc) und die Vorschubgeschwindigkeit (vf). Das klingt kompliziert? Ist es aber nicht!

Die entscheidenden Formeln – einfach erklärt

Die wichtigste Formel, die Sie kennen sollten:

vc = (π × D × n) / 1000

Dabei bedeutet:

  • vc = Schnittgeschwindigkeit in m/min
  • D = Werkzeugdurchmesser in mm
  • n = Drehzahl in U/min

Diese Formel zeigt Ihnen: Ein großes Werkzeug braucht weniger Drehzahl als ein kleines, um die gleiche Schnittgeschwindigkeit zu erreichen. Klingt logisch, oder?

Für die Vorschubgeschwindigkeit gilt beim Fräsen:
vf = fz × z × n

  • vf = Vorschubgeschwindigkeit in mm/min
  • fz = Vorschub pro Zahn in mm/Zahn
  • z = Anzahl der Zähne
  • n = Drehzahl in U/min

Das Zusammenspiel verstehen

Stellen Sie sich vor, Ihr Fräser ist ein kleiner Bauarbeiter, der mit einer Schaufel Material abträgt. Die Drehzahl bestimmt, wie schnell er rennt. Der Vorschub definiert, wie tief er bei jedem Schritt die Schaufel ins Material steckt. Zu schnell rennen mit zu großer Schaufel? Das geht schief. Zu langsam mit zu kleiner Schaufel? Das dauert ewig.

Genau so funktioniert auch die Zerspanung. Das optimale Verhältnis zwischen Vorschub und Drehzahl sorgt für:

  • Gleichmäßige Spanbildung
  • Optimale Werkzeugstandzeit
  • Beste Oberflächenqualität
  • Maximale Produktivität

Materialien verstehen und häufige Fehler vermeiden

Verschiedene Werkstoffe, verschiedene Schnittdaten

Verschiedene Werkstoffe verlangen unterschiedliche Behandlung. Hier sind die wichtigsten Richtwerte:

Aluminium (AlMgSi1) – Der Sprintstar

  • Schnittgeschwindigkeit: 300-1000 m/min (beim Fräsen)
  • Vorschub pro Zahn: 0,15-0,40 mm/Zahn (Schruppen)
  • Vorschub pro Zahn: 0,05-0,20 mm/Zahn (Schlichten)

Warum so schnell? Aluminium leitet Wärme hervorragend ab und ist relativ weich. Das erlaubt hohe Geschwindigkeiten ohne übermäßige Werkzeugbelastung. Besonderheiten: Scharfe Werkzeuge mit großen Spanwinkeln verwenden, gute Spanabfuhr sicherstellen.

Allgemeiner Baustahl (S235JR) – Der Allrounder

  • Schnittgeschwindigkeit: 120-350 m/min (beim Fräsen)
  • Vorschub pro Zahn: 0,10-0,25 mm/Zahn (Schruppen)
  • Vorschub pro Zahn: 0,05-0,15 mm/Zahn (Schlichten)

Baustahl ist gutmütig und verzeiht Fehler. Trotzdem gilt: Nicht zu langsam! Zu niedrige Schnittgeschwindigkeiten führen zum Verschweißen der Späne mit dem Werkzeug.

Vergütungsstahl (>800 N/mm²) – Der Herausforderer

  • Schnittgeschwindigkeit: 80-180 m/min (beim Fräsen)
  • Vorschub pro Zahn: 0,08-0,20 mm/Zahn (Schruppen)
  • Vorschub pro Zahn: 0,04-0,12 mm/Zahn (Schlichten)

Harte Stähle sind anspruchsvoll. Sie entwickeln mehr Wärme und belasten das Werkzeug stärker. Erfolgsgeheimnisse: Beschichtete Hartmetallwerkzeuge nutzen, konstanten Vorschub halten, ausreichend Kühlung sicherstellen.

Wichtiger Hinweis: Diese Werte sind Richtwerte! Die genauen Daten hängen von Ihrem Werkzeug, der Beschichtung und den Maschinenbedingungen ab. Beginnen Sie immer mit den Herstellerempfehlungen.

Die häufigsten Fehler in der Praxis

Fehler 1: Zu niedrige Parameter aus “Vorsicht”
Viele denken: “Lieber langsam und sicher.” Aber zu niedrige Schnittgeschwindigkeiten können Aufbauschneiden verursachen, die Oberflächenqualität verschlechtern und das Werkzeug schneller verschleißen lassen.

Fehler 2: Vorschub und Drehzahl nicht aufeinander abstimmen
Die Parameter müssen zusammenpassen. Eine hohe Drehzahl mit zu niedrigem Vorschub lässt das Werkzeug “polieren” statt schneiden.

Fehler 3: Maschinengrenzen ignorieren
Ihre Maschine hat Grenzen bei Drehmoment und Leistung. Eine steife Werkzeugmaschine kann deutlich aggressivere Parameter verkraften als eine weniger stabile.

Fehler 4: Werkzeugangaben missachten
Jedes Werkzeug hat spezifische Datenblätter mit Empfehlungen. Diese sollten Ihr Ausgangspunkt sein, nicht Ihr Bauchgefühl.

Fehler 5: Zerspanungsart nicht berücksichtigen
Schruppen und Schlichten haben völlig unterschiedliche Ziele:

  • Schruppen: Hohe Zeitspanvolumina anstreben, größere Schnitttiefen und Vorschübe
  • Schlichten: Oberflächenqualität im Fokus, kleinere Vorschübe und Aufmaße

Praktische Optimierung und moderne Maschinentechnik

Systematisch optimieren – Schritt für Schritt

Schritt 1: Grunddaten sammeln

  • Werkstoff bestimmen (Material, Oberflächenbeschaffenheit, Härte)
  • Werkzeugdaten prüfen (Durchmesser, Zähnezahl, Material, Geometrie)
  • Maschinenkennwerte kennen (max. Drehzahl, Antriebsleistung, Vorschubgrenzen)
  • Qualitätsanforderungen definieren (Oberflächengüte, Toleranzen, Schruppen/Schlichten)

Schritt 2: Startwerte festlegen
Beginnen Sie mit Herstellerempfehlungen aus:

Faustregeln: Bei Unsicherheit mit 80% der empfohlenen Maximalwerte beginnen.

Schritt 3: Systematisch optimieren

  • Beginnen Sie mit 80% der empfohlenen Werte
  • Erhöhen Sie schrittweise um 10-15%
  • Ändern Sie immer nur einen Parameter auf einmal
  • Dokumentieren Sie jeden Versuch mit Ergebnissen

Schritt 4: Ergebnisse bewerten
Gute Parameter erkennen Sie an:

  • Gleichmäßiger, lockiger Spanbildung (keine Pulverspäne!)
  • Goldgelben bis leicht blauen Spänen
  • Guter Oberflächenqualität ohne Rattermarken
  • Stabilem Prozess ohne Vibrationen

Was moderne Maschinen leisten können

Adaptive Vorschubregelung (AFC)
Diese intelligente Funktion passt den Vorschub automatisch an die tatsächliche Belastung an. Bei geringer Last erhöht sie den Vorschub, bei hoher Last reduziert sie ihn.

Praktischer Nutzen:

  • Bis zu 25% kürzere Bearbeitungszeiten
  • Gleichmäßigerer Werkzeugverschleiß
  • Weniger manuelle Überwachung nötig
  • Automatische Anpassung an Materialinhomogenitäten

Ratterunterdrückung (ACC)
Diese Technologie erkennt Vibrationen und wirkt ihnen aktiv entgegen. Das System kann bis zu 25% höhere Schnitttiefen ermöglichen.

Vorteile in der Praxis:

  • Stabilere Prozesse auch bei kritischen Geometrien
  • Höhere Zeitspanvolumina möglich
  • Bessere Oberflächenqualität bei schwierigen Teilen
  • Weniger Nacharbeit durch Rattermarken

High-End-Steuerungen als Standard
POS-Maschinen kommen standardmäßig mit hochwertigen Steuerungen wie Heidenhain TNC 640/7 oder Siemens SINUMERIK ONE. Diese bieten:

  • Höhere Rechenleistung für komplexe Berechnungen
  • Benutzerfreundliche Programmierung mit grafischer Simulation
  • Präzise Bahnführung auch bei hohen Geschwindigkeiten
  • Integrierte Funktionen für Prozessoptimierung

Der entscheidende Unterschied:
Die Kombination aus hoher Maschinensteifigkeit und modernen Steuerungen ermöglicht es Ihnen, die theoretischen Vorteile optimierter Schnittdaten auch praktisch umzusetzen. Was nützt die beste Schnittdatenberechnung, wenn die Maschine bei der Umsetzung vibriert?

Wirtschaftlichkeit und Spezialanwendungen

Konkrete Zahlen aus der Praxis

Beispiel Teilefertigung: Ein Lohnfertiger produziert 10.000 Aluminiumteile jährlich auf einer 3-Achs-Fräsmaschine.

Durch systematische Optimierung der Schnittdaten:

  • Bearbeitungszeit: 5 Min. auf 4,4 Min. (-12%) = 5.500 € Einsparung
  • Werkzeugkosten: 8.000 € auf 6.400 € (-20%) = 1.600 € Einsparung
  • Ausschussquote: 3% auf 1,5% (-50%) = 1.500 € Einsparung

Gesamtnutzen: 8.600 € bei nur 800 € Invest – das ist ein ROI von über 1.000% im ersten Jahr!

Beispiel Sondermaschinenbau: Komplexe Bauteile für Sondermaschinen aus verschiedenen Stählen profitieren von:

  • 30% weniger Programmierzeit durch CAM-Systeme mit Technologiedatenbank
  • 15% kürzere Einfahrzeiten durch bessere Simulation
  • 20% längere Werkzeugstandzeiten durch optimierte Parameter

Spezielle Herausforderungen meistern

Schwer zerspanbare Materialien

  • Rostfreie Stähle: Neigen zur Kaltverfestigung – konstanter Vorschub wichtig
  • Titanlegierungen: Geringe Wärmeleitfähigkeit – aggressive Parameter vermeiden
  • Hartbearbeitung (>45 HRC): Extrem kleine Vorschübe und spezielle Werkzeuge erforderlich

Dünne Wandstärken und schwingungsanfällige Teile

Ein weiterer Vorteil: Qualifizierte Prozessoptimierung als Service kann KMU dabei helfen, diese Potenziale zu heben, ohne eigene Spezialisten einstellen zu müssen.

Zukunftstrends und praktische Tipps

Was kommt auf uns zu?

KI-basierte Schnittdatenoptimierung
Erste Systeme lernen aus Ihren Prozessdaten und schlagen automatisch optimierte Parameter vor. Besonders interessant bei häufig wechselnden Losgrößen.

Digitale Zwillinge
Virtuelle Abbilder Ihrer Maschine und Prozesse ermöglichen es, Schnittdaten vorab zu simulieren und zu optimieren, bevor der erste Span fällt.

Vernetzte Produktion (Industrie 4.0)
Maschinen und Systeme werden stärker vernetzt. Erfolgreiche Schnittdaten können automatisch zwischen ähnlichen Aufträgen übertragen werden.

Praktische Tipps für den Alltag

Schnittdaten-Checkliste für neue Aufträge:

  • Werkzeugherstellerangaben prüfen
  • Materialdatenblatt konsultieren
  • Vorige ähnliche Aufträge durchsuchen
  • Maschinengrenzen beachten
  • Spannmittel und Aufspannung überprüfen

Faustregeln aus der Praxis:

  • Spanbildung richtig deuten: Lockige, goldgelbe Späne = optimal; Pulverspäne = zu niedriger Vorschub; Blaue/schwarze Späne = zu hohe Geschwindigkeit
  • Oberflächenqualität verbessern: Niedrigeren Vorschub wählen, Eckenradius vergrößern, steifere Spannung verwenden
  • Produktivität steigern: Erst Schnitttiefe, dann Vorschub erhöhen; AFC-Funktionen der Steuerung nutzen

Häufig gestellte Fragen zu Vorschub und Drehzahl

Achten Sie auf die Spanbildung: Gleichmäßige, lockige Späne sind ein gutes Zeichen. Blaue oder verbrannte Späne deuten auf zu hohe Geschwindigkeiten hin. Pulverige Späne oder schlechte Oberflächen zeigen meist zu niedrige Parameter an. Ein konstanter, nicht zu hoher Kraftverlauf an der Spindel ist ebenfalls ein guter Indikator.
Ja, definitiv. Jeder Werkstoff hat andere Eigenschaften bezüglich Härte, Wärmeleitfähigkeit und Zähigkeit. Aluminium verträgt viel höhere Geschwindigkeiten als Stahl, rostfreie Stähle brauchen spezielle Behandlung wegen ihrer Kaltverfestigungsneigung. Beginnen Sie immer mit materialspezifischen Richtwerten aus Herstellerangaben.
Zu hoher Vorschub führt zu hohen Schnittkräften, was Werkzeugbruch, schlechte Oberflächen oder Vibrationen verursachen kann. Zu niedriger Vorschub ist oft schädlicher: Das Werkzeug “poliert” dann nur noch, statt zu schneiden, was zu Aufbauschneiden und erhöhtem Verschleiß führt. Das richtige Maß ist entscheidend.
Extrem wichtig! Eine steife Maschine kann aggressivere Parameter verkraften, was direkt zu höherer Produktivität führt. Vibrationen sind der größte Feind optimaler Schnittdaten. POS-Maschinen sind zum Beispiel bis zu 60% steifer als vergleichbare Standardmaschinen, was deutlich höhere Zeitspanvolumina ermöglicht.
Moderne Steuerungen wie die in POS-Maschinen standardmäßig verbauten Heidenhain TNC 7 oder Siemens SINUMERIK ONE helfen erheblich. AFC (Adaptive Feed Control) und ACC (Active Chatter Control) sind echte Produktivitätsbringer. Aber: Das Grundverständnis der Parameter bleibt wichtig für optimale Starteinstellungen und zur Fehlererkennung.

Fazit: Der Weg zu optimalen Schnittparametern

Vorschub und Drehzahl richtig zu wählen ist kein Hexenwerk. Es braucht:

  • Grundverständnis der Zusammenhänge: Wissen Sie, wie die Parameter zusammenhängen
  • Systematisches Vorgehen: Strukturiert optimieren statt nach Gefühl
  • Mut zum schrittweisen Optimieren: Nicht bei den ersten Werten stehen bleiben
  • Die richtige Maschinentechnik als Basis: Moderne Steuerung und steife Konstruktion

Beginnen Sie mit den Herstellerempfehlungen, dokumentieren Sie Ihre Erfolge und optimieren Sie kontinuierlich. Mit der richtigen Maschine und fundierten Grundlagen werden Sie schnell spürbare Verbesserungen bei Produktivität, Qualität und Wirtschaftlichkeit erzielen.

Der Aufwand lohnt sich: Bereits kleine Optimierungen können Ihre Produktivität um 20-40% steigern und die Werkzeugkosten um 30% reduzieren. Das ist direkt messbarer Gewinn für Ihr Unternehmen.

Die Zukunft der Zerspanung wird noch intelligenter: KI-basierte Systeme, adaptive Steuerungen und vernetzte Produktion werden die Optimierung von Schnittdaten weiter vereinfachen. Aber auch dann bleibt das Grundverständnis der Zusammenhänge zwischen Vorschub und Drehzahl der Schlüssel zum Erfolg.

Investieren Sie in Ihr Know-how, nutzen Sie die Möglichkeiten moderner Maschinen und scheuen Sie sich nicht, systematisch zu optimieren. Die Parameter zu verstehen und richtig anzuwenden, ist eine der kostengünstigsten Methoden zur Produktivitätssteigerung in der Zerspanung.

Viel Erfolg und heiße Späne!

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